Diabetes mellitus: Die Kohlenhydrate sind nicht der ausschließliche Übeltäter!
Unbestritten bleibt: Auch wenn heute vielfach die Ansicht vertreten wird, wonach der Souveränität des Einzelnen mehr Spielraum gelassen werden soll, darf bei Menschen mit der Krankheit keinesfalls eine Art von „Laissez-faire“-Stil Einzug halten. Wegweisende Aussage soll daher bleiben, dass vor allem die haushaltstypische Saccharose, welche durch Wasserabspaltung zweier Einfachzucker insbesondere in Zuckerrüben und Zuckerrohr vorkommt und letztlich als raffinierter oder Rohzucker im Handel vertreten ist, sehr konsequent vermieden werden muss. Diese Auffassung vertritt der Leiter der bundesweit aktiven Selbsthilfeinitiative zu Hormonellen und Stoffwechselerkrankungen, Dennis Riehle (Konstanz), in einer aktuellen Aussendung – und ergänzt: „Dessen glykämischer Index (GI) ist fatal hoch, was schlussendlich zu einer massiven Anpassung des Insulinbedarfs beim Diabetiker führen kann. Insofern gilt es vornehmlich zu beachten, diese Art des Zuckers bestmöglich aus dem Alltag zu streichen“, sagt der Ernährungsberater. „Gleichermaßen ist mittlerweile auch überholt, dass die Fructose als Zuckeraustauschstoff einen idealen Ersatz darstellen würde, weil ihr GI im Vergleich zur Glucose dramatisch niedriger ausfalle. Letztendlich appellieren Experten aber jetzt, dass der Fruchtzucker für Patienten mit einer Zuckerkrankheit trotzdem schädlich sei, weil er einen eklatanten Einfluss auf den Fetthaushalt nimmt und die Gewichtsregulierung vollends durcheinanderbringt. Resultierend daraus, nimmt die Adipositas beim Betroffenen zu, die schließlich wiederum den Diabetes markant befeuert. Generell sollte daher auch mit Sorbit oder Xylit überaus bedacht umgegangen werden, denn auch sie wirken – moderater – auf den Stoffwechsel ein und werden oftmals zu leichtfertig als Alternative angepriesen“, meint der 37-Jährige, der selbst seit 2014 zuckerkrank ist.
Er führt weiter aus: „Empfehlenswert bleiben daher vor allem die gängigen Süßstoffe wie Saccharin, Aspartam oder Stevia, die oftmals einen vehement höheren Geschmack als Haushaltszucker besitzen, dabei wasserlöslich, back- und kochfest sind und vom Diabetiker in seinen Überschlagungen des täglichen Kalorienverbrauchs überhaupt keine Berücksichtigung finden müssen. Daneben sollte ebenfalls festgehalten werden, dass der oftmals vorgebrachte Tenor, wonach Kohlenhydrate prinzipiell die Übeltäter seien, aus heutiger Sicht in dieser Form nicht mehr haltbar ist. Gleichsam muss aber ehrlicherweise auch festgehalten werden, dass eine Aufhebung des einst in der konventionellen Therapie des Diabetes ausgesprochenen, generellen Zuckerverbots ebenfalls nicht rechtfertigt werden kann – und daher in Äquivalenz zu den gesättigten und ungesättigten Fetten – auch weiterhin darauf zu achten ist, beim Verzehr von Kohlenhydraten (KH) auf die differenzierte Auswahl zu achten. Denn genauso, wie der Mensch die als gesund angesehenen ungesättigten Fettsäuren auch deshalb nur in Maßen zu sich nehmen soll, weil ihr positiver Effekt auf das schlechte LDL-Cholesterin zunehmend umstritten ist, gibt es bei KH auch solche, die für den Organismus unersetzlich sind. Denn die komplex aufgebauten Mehrfachzucker, wie wir sie beispielsweise in Naturreis, Hülsenfrüchten oder Haferflocken finden, können durch ihre lange Resorptionszeit einen überaus förderlichen Charakter für den Diabetiker haben“, befindet der Psychosoziale Berater. „Daher sollte im Umkehrschluss nicht nur auf die Transfette mit ihren ungeschickten Doppelbindungen in der Kohlenstoffkette verzichtet werden, die wesentlich in Fertigprodukten und frittierten oder fettausgebackenen Produkten vorkommen – und mehrfach ungesättigte Fettsäuren mit Langkettigkeit (beispielsweise in pflanzlichen Ölen oder diversen Fischsorten) trotz mancher Unkenrufe nicht gänzlich aus der Nahrung des Zuckerkranken verdammt werden. Sondern ebenso ist die wissenschaftliche Neuorientierung wahrzunehmen, wonach manche der gesättigten Fettsäuren, die so lange Zeit verschrien waren, sogar das gute HDL-Cholesterin erhöhen können. Zwar bleiben isolierte Kohlenhydrate wie in Weizenmehl oder Stärke besonders als Backwaren, Süßigkeiten oder Knabbergebäck aufgrund ihrer schlechten Eigenschaften in Bezug auf den Triglycerid-Spiegel weiterhin unbestritten ungesund. Dagegen sind Butter oder Kokosöl als deutlich weniger schädlich zu betrachten, als es bislang angenommen worden ist.“, meint Dennis Riehle aus seiner Erfahrung aus der Ernährungsberatung entsprechend.
„Damit wird deutlich: In der Frage der richtigen Ernährung für Zuckerkranke hat sich viel getan. Abseits der Schlussfolgerung, dass die stringente und starr fixierte Therapie der vergangenen Jahrzehnte nicht mehr zeitgemäß ist und die intensivierte Variante, die mittlerweile immer öfter angewendet wird, mit sehr viel mehr Eigenbestimmung des Patienten arbeitet, haben sich doch recht eindeutige Hinweise manifestiert, in welche Richtung eine diabetesorientierte Nahrungsmittelauswahl gehen sollte. Prinzipiell sollte bei einer Diabetes-Erkrankung je nach Körpergewicht eine Tageszufuhr von 1400 bis 2200 kcal nicht überschritten werden. Dabei sollte die Verteilung der Kohlenhydrate 50 – 55 % der Tagesmenge an aufgenommenen Kalorien entsprechen – wobei die oben als positiv deklarierten Produkte hier die vornehmliche Berücksichtigung finden sollten. Bei 10 – 15 Prozent an Eiweißen, sollte die Fettmenge im Abgleich mit früheren Verhältnissen jetzt überraschenderweise bis zu 30 % einnehmen, allerdings ist auch hierbei wieder die ideale Auswahl der einzelnen Lebensmittel nach dem dargelegten Schema anzulegen. Mindestens 30 Gramm Ballaststoffe sind obendrein erstrebenswert, unter anderem durch Obst (Äpfel, Mandarinen, Beeren…) oder Gemüse (Speisepilze, Artischocken, Erbsen, Rosenkohl…). Elementar wichtig bleiben daneben auch die Anzahl der Mahlzeiten und die Verteilung der einzelnen Lebensmittel darauf. Gerade bei Insulintherapie müssen nächtliche Hypoglykämien vermieden werden, weshalb eine späte Zwischenmahlzeit mit Kohlenhydraten belegt sein sollte, die sich langsam verstoffwechseln. Hier kommen also vor allem Vollkornprodukte in Betracht. Prinzipiell gilt, dass nach dem Frühstück ein kleiner Brunch folgen kann (beide sind ballaststoffreich ausgerichtet), am Nachmittag nach dem Mittagessen dann ein kurzer Kaffee (hier kann bei beiden vor allem auf fett- und eiweißreiche Nahrungsmittel gesetzt werden) und nicht zuletzt die genannte Spätmahlzeit mit einigen Stunden Verzögerung zum Abendessen, kurz vor dem Zubettgehen, die beide allerdings arm an Ballaststoffen sein sollten“, erläutert Dennis Riehle.
„Gerade bei anstehender Bewegung sollte vorab eine höhere Zuckermenge zu sich genommen werden (auch als Monosaccharid), dabei sollte sie allerdings in Anbetracht der bevorstehenden Körperleistung magenschonend ausgerichtet sein (beispielsweise Traubenzucker statt Diätdrinks, Schokolade oder Bonbons). Um die optimale Zufuhr ermitteln zu können, rät es sich, den Zuckerwert davor und während des Sports unbedingt zu messen. Zusammenfassend ist einzugrenzen: Eine pauschale Aussage über die Ernährung für den Diabeteskranken ist aufgrund der jeweils individuellen Stoffwechsellage nicht möglich. Fachärztliche und beratende Angebote sollten genutzt werden, um den idealen Tagesplan zu entwickeln und die facettenreichen Möglichkeiten kennenzulernen, mit denen auch für Zuckerkranke heute eine vielfältige Speisenzusammensetzung mit hohem Genusswert erreicht werden kann. Der alleinige Verzicht ist schon allein aufgrund der psychischen Konsequenzen keine adäquate Antwort mehr, zumal die Behandlungsoptionen des Diabetes weiter steigen. Bei Getränken bleibt es allerdings bei der Maßgabe zur Zurückhaltung, vor allem sollte auf Mineralwasser und stark verdünnte Fruchtsäfte gesetzt werden, daneben Kaffee mit wenig Milch und Süßungsmittel sowie Tee mit etwas Honig. Abschließend muss der Diabetiker im Vergleich zum unerkrankten Menschen auf bestimmte Vitamin- und Mineralstoffzufuhr besonders achten. Es sollte eine Kontrolle der Serumwerte vorgenommen und insbesondere die Vitamine B1, B3, B6, C und E im Auge behalten werden. Darüber hinaus ist auch der Bedarf an Magnesium, Zink und Chrom beim Zuckerkranken oft erhöht. Entsprechend sind nach ärztlicher Rücksprache gegebenenfalls Substitutionen vorzunehmen. Das Prinzip einer abwechslungsreichen und ausgeglichenen Ernährung bei gleichzeitiger Gabe von ausgewählten und auf den individuellen Bedarf ausgerichteten Nahrungsergänzungsmitteln bleibt unvermindert bestehen“, so der Ernährungsberater abschließend.
Die kostenlose Psychosoziale und Ernährungsberatung der Initiative ist auf www.selbsthilfe-riehle.de erreichbar.
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